Berufung, Beruf und Arbeit
16.09.2019
Dem als «roter Pfarrer von Safenwil» bekannten Karl Barth, der seit dem 23. Januar 1915 Mitglied der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz war und sich an der Seite der Arbeiter gegen die lokale Arbeitgeberschaft engagierte, kann nicht abgesprochen werden, dass er ein ausgeprägtes Bewusstsein für die Arbeitsbedingungen seiner Zeit hatte. Doch es geht nicht nur um ein säkulares und gesellschaftliches Anliegen, auf das der Theologe und Pfarrer reagiert. Durch die Krise in der Arbeitswelt tritt ein zentraler Aspekt des Menschseins zutage.
1951, im vierten Teil der Lehre von der Schöpfung (§§ 55.3 und 56.2), wird die Arbeit, die aktive Betätigung des Menschen in seiner Existenz und im Rahmen seiner persönlichen Grenzen – seiner Kultur, seiner Epoche, seinen Gaben und Fähigkeiten – unter der Bezeichnung Beruf theologisch abgehandelt.
1959, im vorletzten offiziellen Band seiner Dogmatik (vgl. § 71), wird die Vocatio, die Berufung, von ihrer Wichtigkeit her auf dieselbe Ebene gestellt wie die Rechtfertigung und die Heiligung. Die Berufung bezeichnet diese Bedingung der menschlichen Existenz im Angesicht Gottes: Gott ruft den Menschen (Berufung) und der Mensch existiert in seiner Antwort darauf (Beruf).
Der Beruf umfasst mehr als Arbeit im Sinne von Anstellung oder Beschäftigung. Doch diese gehören auch mit dazu und bestimmen weitgehend dessen Wahrnehmung. Die theologische Ernsthaftigkeit, mit der Karl Barth sich mit dem Begriff der Arbeit auseinandersetzt, sollte auch uns dazu bewegen, klare und deutliche Worte zur heutigen Situation im Erwerbsleben zu äussern; über das Entfremdende, das es hat, doch vor allem auch über den verborgenen und lebendigen Dienst, der ihm innewohnt und über die nicht anerkannten, kreativen und innovativen Berufe, die ein indirektes – doch insgeheim direktes – Zeugnis ablegen von dem, der sich selber zum Diener gemacht hat.
Elio Jaillet