Der rauchende Barth
27.05.2019
Wer als Theologin im 21. Jahrhundert auch mal raucht, gibt sich als unzeitgemässe Zeitgenossin. Lernen lässt sich das vom rauchenden Kirchenvater des letzten Jahrhunderts: Karl Barth. In seiner Kirchlichen Dogmatik kam er denn nicht umhin, hinsichtlich der Anthropologien seiner Fachkollegen anzumerken, «dass keiner dieser Apologeten es für der Erwähnung würdig hielt, dass unter allen Wesen scheinbar nur der Mensch zu lachen und zu rauchen pflegt» (KD III/2, 96). Lachen und rauchen – das waren für Barth anthropologische differentia specifica. Barth hat zeitlebens geraucht, auch noch als er 1964 über die verheerenden gesundheitlichen Wirkungen in Kenntnis gesetzt wurde. Aber Barth ging eben nicht trotz, sondern wegen seiner hellwachen Zeitgenossenschaft nicht immer mit der Zeit. Und Fortschritt hielt er ohnehin für «ein aufs tiefste dubioser Begriff» (KD IV/1, 787). Anstatt von der Zeitgemässheit, die für die Modernität und damit für eine Theologie auf der sogenannten Höhe der jeweiligen Zeit steht, sprach Barth stets von der Zeitgenossenschaft, denn in der Theologie zähle nicht der Fortschritt, sondern die Reformation. Vor die Herausforderungen der Zeit gestellt, kann dies für den Theologen auch mal ganz schön unbequem werden. Etwa so unbequem, wie es heute ist, Raucher_in zu sein. Der rauchende Kirchenvater liess sich davon indes nicht irritieren, sondern bekannte: «Vor allem: in necessariis keinen Schritt nachgeben, in dubiis sich nichts merken lassen, in aliis die Pfeife nicht ausgehen lassen.» (Rundbrief 22. Januar 1922.)
Matthias Käser-Braun