Grundfragwürdiges Kapitel
Barth über Christusbildnisse
»Du sollst dir kein Bildnis noch irgend ein Gleichnis machen! [Ex. 20,4], nach reformierter Lehre mit Recht als selbständiges Gebot gezählt. Bilder von alten Pastoren mögen in der Kirche allenfalls erträglich sein, Bilder von Gott oder Christus sind im Museum oder als Zimmerschmuck möglich, in der Kirche dagegen (!) genau genommen durchaus unmöglich und unerträglich. Der Kruzifixus, den man sehen und abbilden und dann im Abbild wieder sehen kann, ist eben gerade nicht der offenbare Gott, sondern nur die menschliche Natur Christi, deren isolierte Betrachtung an der Stätte, da der offenbare Gott verkündigt und angebetet werden soll, fast notwendig verwirrend und verführerisch wirken muss. Den offenbaren Gott in der menschlichen Natur Christi kann jede Darstellung nur verdunkeln. Kein Wunder, dass die Geschichte des Christusbildes ein so grundfragwürdiges Kapitel in der Kunstgeschichte ist. Es wäre vielleicht wirklich besser gewesen, die Künstler hätten überhaupt die Finger davon gelassen.« (Karl Barth, in: Unterricht in der christlichen Religion 2 1924/25 (GA II.20), 152f)