Pfingsten
10.06.2019
Im Jahr 1967 fragte Karl Barth den damals in Tübingen lehrenden Professor Ratzinger in einem Kolloquium über die Offenbarungskonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils, ob die römisch-katholische Kirche vielleicht Angst vor dem Heiligen Geist habe: „Warum spielt die Tradition, auch wenn sie jetzt neu verstanden ist, immer noch eine so tragende Rolle für die katholische Kirche? Kommt das etwa aus einer Angst vor dem Heiligen Geist? Lieber Herr Ratzinger, ich frage nur, und Sie werden sich das wohl auch selbst fragen, ist Ihre Kirche vielleicht aufgebaut auf der Flucht vor dem Heiligen Geist?“
Angesichts des beständigen Mühens um Selbsterhalt der institutionellen Kirche müsste man diese Frage über fünfzig Jahre später beiden Kirchen gleichermassen stellen, der katholischen wie der reformierten. Es stimmt wohl, „Charisma und Institution verhalten sich stets spröde zueinander“, und doch hat die Institution Kirche nur dann eine Berechtigung, wenn es darin nicht um sie selbst, sondern immer um den geht, der sie sendet (Jörg Lauster).
Das Gegenteil der Flucht vor dem Heiligen Geist wäre wohl das Vertrauen in seine gestalterische Kraft. Ob uns das irgendwann gelingt?
Melanie Pollmeier