Raubritter

Barth über Zinseinnahmen

»Was habe ich als rechtmäßiger Erbe eines Stücks Familienvermögen zu tun mit der Art — es könnte ja doch sein, daß ich ein Nachkomme ehemaliger Raubritter bin —, wie dieses Vermögen vor vielleicht undenklichen Zeiten zustande gekommen ist? Über den Gräbern derer, die einst gelitten haben bei der Aneignung (...), ist längst Gras gewachsen. Ich nehme es wirklich niemandem weg, ich habe es nur nach Gesetz und Recht geerbt. Oder was habe ich als großer oder kleiner Rentner zu tun mit der Art, wie die Zinsen, aus denen ich lebe, vielleicht in Amerika drüben erarbeitet werden, oder mit den Unternehmungen, in die meine Bank mein Kapital zu stecken für vorteilhaft hält? Ich bin gottlob weder (...) der Häuserspekulant mit seinen Mietkasernen, noch gar der Brennereibesitzer in Deutschlands Osten, ich beziehe nur meine Zinsen, ich nehme nur, was mir von Gott und Rechts wegen gehört. Aber eben: mit der Unverantwortlichkeit, die wir aus dieser Indirektheit unseres Greifens und Nehmens so gerne folgern möchten, ist es nichts. Wiederum fragt das Gebot Gottes nicht nach unserer näheren oder ferneren Beteiligung, sondern nach unserer Beteiligung oder Nicht-Beteiligung an der Tat, die einen Angriff auf das fremde Leben bedeutet (...), macht uns verantwortlich für unser eigenes Tun nicht abgesehen [von], sondern in der Verflochtenheit mit dem Tun Anderer« (Karl Barth, in: Ethik I 1928 (GA II,2), 277f).