„Bis Weihnachten muss ich das noch schaffen!“ Längst sind es nicht mehr nur die Geschenke, die bis zum Heiligen Abend gekauft sein müssen. Immer mehr Bereiche unseres Lebens scheinen am 24.12. zu enden – jedenfalls vorübergehend. Und so müssen noch Reisekosten-Abrechnungen gemacht, Schularbeiten geschrieben, die Spülmaschine repariert, Steuererklärungen abgegeben, Winterreifen aufgezogen, Sommerurlaube gebucht und Vorräte gekauft sein.
Natürlich ist es nicht nur das Weihnachtsfest, sondern auch das Jahresende, das uns unter Druck setzt. Und „zwischen den Jahren“ wollen wir ja unsere Ruhe haben. Aber warum eigentlich diese Endzeit-Fixierung? Gibt es Prämien für zum Jahresende fertiggestellte Aufgaben? Nein, das meiste ist wohl schlichte Einbildung.
Mit fixen Daten setzen wir uns unter Druck. Bis zu einem gewissen Grad kann das förderlich sein. Ich jedenfalls laufe vor Weihnachten und vor dem Sommerurlaub regelmäßig zu Höchstform auf und schaffe viel mehr als sonst. Aber ab einem bestimmten Punkt kippt die Stimmung und stellt sich das Gefühl ein: „Ich schaffe das nicht mehr.“
In gewisser Weise ist das eine klassische Problematik des Zeitmanagements. Die Experten geben hierzu verschiedene hilfreiche Tipps, wirklich Wichtiges von weniger Wichtigem zu unterscheiden, bestätigen aber auch, dass zeitliche „Meilensteine“ motivierend sind.
Aber die Angelegenheit hat auch eine theologische Dimension: Oder ist es nicht auch so, dass wir für die Ankunft des Gottessohnes bereit und also mit allem anderen fertig sein wollen und uns deshalb so verrückt machen? Schwer zu sagen, was da überwiegt: die fromme Erwartung oder die sündhafte Selbstüberschätzung.
Die Erwartung Gottes kann jedenfalls menschlichen Aktionismus nicht ernsthaft begründen. Denn das Kommen des ganz Anderen wird sich ja wohl kaum daran knüpfen lassen, dass wir Menschen mit irgendetwas fertig sind. Der 24.12. ist also wahrlich kein göttliches Datum, schon eher ein teuflisches.
Theologisch streng genommen ist jeden Tag Weihnachten. Aber die Zeitmanagement-Experten werden uns da in den Rücken fallen. So funktionieren wir Menschen nicht: Kein Mensch wird sich das ganze Jahr lang so verhalten wie kurz vor Weihnachten. Also ergeben wir uns in unser Schicksal und versuchen es so positiv wie möglich zu sehen: Wir haben es wieder geschafft. Es ist Weihnachten und irgendwie ist alles fertig – wir auch. Aber egal!
Georg Rieger