Olympia Morata
(1526-1555)
Hochbegabt war sie - ein Wunderkind ihrer Zeit. 1526 wurde Olympia Fulvia Morata im italienischen Ferrara geboren. Früh erkannte ihr Vater ihre Begabung und förderte ihren Unterricht in den alten Sprachen. Mit 14 Jahren wurde sie zusammen mit Prinzessin Anna am Hof der d’Este in Ferrara ausgebildet. Sie fiel auf: Durch ihre Auffassungsgabe und durch geschliffene eigene Texte in lateinischer und griechischer Sprache. Früh kam Olympia mit den Gedanken der Reformation in Verbindung. Besonders Calvin überzeugte sie. Obwohl er einmal – unter einem Decknamen - in Ferrara war, ist sie ihm wohl nie persönlich begegnet.
Wir fragen uns heute: Hätte Olympia Morata auch als Frau in die Fußstapfen ihres Vaters treten können und das Leben einer humanistischen Gelehrten führen können?
Es waren unruhige Zeiten. Wie in einer Achterbahn ging das Leben für die junge Frau weiter. Sie war 22 Jahre alt, als zwei Ereignisse der Studienzeit ein Ende bereiteten: Ihr Vater starb und sie musste den Hof verlassen. Prinzessin Anna wurde mit dem Herzog von Guise verheiratet und zog nach Frankreich. Am Hof duldete man die Tochter eines Calvinisten nicht mehr. Dann hielt ein solcher Calvinist um ihre Hand an: Der deutsche Arzt Andreas Grundler, der in Ferrara promoviert hatte. In späteren Briefen deutet Olympia an, dass sie zunächst aus Vernunft in diese Ehe einstimmte. Später sei die Liebe zu ihrem Mann stetig gewachsen.
Olympia hatte einen achtjährigen Bruder, Emilio. Ihn nahm das junge Ehepaar mit auf die lange Reise nach Deutschland. Über verschiedene Stationen gelangten sie 1550 nach Schweinfurt, dem Geburtsort von Andreas Grundler. Die Bürgerschaft der Reichsstadt hatte 1542 die Reformation eingeführt und sich dem Patronat von Philipp von Hessen unterstellt. Jubelnd schrieb Olympia über das Glück, dass ihr Mann hier eine Anstellung als Stadtphysikus bekommen habe und sie endlich einen Ofen. Schon bald vertiefte sie sich wieder in die antike Literatur und die Lektüre der Bibel. Sie nahm einen regen Briefwechsel mit dem Basler Professor für Rhetorik, Celio Secondo Curione auf. Ihn hatte sie Jahre vorher am Hof von Ferrara kennengelernt. Wie ein Mentor unterstützte Curione die junge Frau. Er sandte ihr Bücher, motivierte sie zu eigenen Texten und setzte sich mit ihr inhaltlich auseinander. Bald begann er, ihre Schriften in Basel zu verlegen.
Olympia hatte viel zu tun. Sie versorgte den Haushalt, erteilte ihrem Bruder und weiteren Schülern Latein- und Griechischunterricht und verfasste zahlreiche literarische Texte, Psalmenübersetzungen und Briefe. Sie hätte sicher gern weiterhin so gelebt. Doch Schweinfurt wurde Opfer von Belagerungen, Seuchen und schließlich einer völligen Zerstörung im Juni 1554.
Olympia schilderte die Erlebnisse der Flucht in mehreren Briefen. Wie Bettler seien sie geflohen, nur mit dem, was sie am Leib trugen. Über Umwege kamen sie zu den Grafen von Erbach, Georg und Eberhard. Die waren „evangelisch gesinnt“ und nahmen die Flüchtlinge auf. „Mir kam es wie ein Wunder vor, dass diese hohen Herren so ein frommes Leben führen,“ schrieb Olympia, „....ich wollte, alle Fürsten wären so!“
Elisabeth von Erbach, die Schwester des Kurfürsten Friedrich II. von der Pfalz, sorgte dafür, dass Grundler auf einen medizinischen Lehrstuhl im protestantischen Heidelberg berufen wurde. Olympia bekam die Genehmigung, griechische Sprache und Literatur zu lehren. Nur ein knappes Jahr lang unterrichtete sie einige Studenten und bereitete sich auf Vorlesungen vor. Doch Husten und Fieber plagten sie seit der Flucht aus Schweinfurt. Mit nicht einmal 30 Jahren starb sie am 26. Oktober 1555 an Tuberkulose, wie wenig später ihr Mann und ihr Bruder.
Eine Inschrift* der Mauer der Heidelberger Peterskirche erinnert an die erste Frau, die je an einer deutschen Hochschule einen Lehrauftrag bekam.
Karen Hinrichs