Bibel

© Pixabay

Gibt es einen "Kern" der Schrift? Lutheraner sagen: ja, Reformierte: nein.

"Die Heilige Schrift ist das Zeugnis, durch das wir von diesem Gott wissen, und zwar, worauf alles ankommt, allein die Heilige Schrift." (Eberhard Busch). So verstehen Reformierte wie Lutheraner die Bibel. Das besagt das reformatorische sola scriptura – allein die Schrift. In diesem Schriftverständnis unterscheiden sich Protestanten von Katholiken. Nach römisch-katholischer Lehre sind Schrift und Tradition für den christlichen Glauben verbindliche Quellen.

Lutheraner und Reformierte sind sich darin einig, dass sie nicht an die Heilige Schrift glauben, sondern an den Gott, von dem die Bibel erzählt. Dabei gibt es einen kleinen Unterschied zwischen den beiden protestantischen Konfessionen: "in der lutherischen Konfession gibt es die Neigung zu der Meinung, dass sich der Kern der Schrift: der in ihr Bezeugte, aus der Schale der Schrift, in die er gebettet ist, herausnehmen lässt, nämlich so weit, dass wir bestimmt sagen können: In diesen und diesen Texten, etwa im Galater- und Römerbrief wird das Gotteswort uns direkt handgreiflich entgegengetragen, während es weite Passagen in der Schrift gibt, in denen das weniger oder kaum oder gar nicht der Fall ist – etwa im Jakobusbrief im Neuen Testament oder im 2. Petrusbrief oder in weiten Teilen des Alten Testaments. Diese Überlegung ist den Reformierten fremd. Für sie lässt sich der Kern der Schrift, der in ihr Bezeugte, nicht so trennen von einer bloßen Schale." (Eberhard Busch, Was heißt reformiert?).

In der ganzen Schrift kann Gottes Wort hörbar werden. Das ist eine besondere Herausforderung für die Predigt: Sie sollte nicht nur einzelne ausgewählte Verse auslegen und verkündigen, denn dann könnte eine Möglichkeit, Gottes Wort zu hören, übergangen werden. Reformierte Predigtpraxis bindet sich deshalb nicht zwingend an die Perikopenordnung. In einer Predigtreihe kann auch fortlaufend ein ganzes biblisches Buch ausgelegt werden.

Linktipps:

Die neue Zürcher Bibel
Ein Vergleich mit der Luther-Übersetzung
Die neue Übersetzung liest sich gediegen, aus einem Guss, verblüffend, schön und klar.

Karl Friedrich Ulrichs
Die Predigt des Alten Testaments in der christlichen Gemeinde
Vortrag von Tobias Kriener
Reformierte Tradition zeichnet sich dadurch aus, das Alte Testament mit allen seinen Versen hoch zu schätzen. So gingen im 20. Jahrhundert entscheidende Impulse für die christliche Predigt des Alten Testaments von reformierten Theologen aus.

Tobias Kriener
Die Predigt des Alten Testaments in der christlichen Gemeinde II
Das Neue Testament ist eine Fortschreibung des Alten und keine Abkehr

Tobias Kriener
Gott einen Raum freihalten
Bemerkungen zur Aktualität des reformatorischen Grundsatzes sola scriptura
Karl Barths „dialektischer Lehre vom Wort Gottes“ reduziert die biblischen Texte nicht auf das zur Zeit gerade „Angenehme“.

Tobias Kriener
Die Einheit von Altem und Neuem Testament
Johannes Calvin als Prediger, Kommentator der Bibel, Ausleger der Heiligen Schrift
Für Calvin sind alle biblischen Schriften gleichwertig. Dabei ist der Reformator auf den Literalsinn der biblischen Verse bedacht und lehnt spekulatives Allegorisieren ab.

Andreas Mühling
Leben aus der Schrift
Die befreiende Wirkung biblischen Redens bei Calvin und in Barmen
In der Gemarker Kirche wurde Kirchengeschichte geschrieben. Von dem Ereignis gingen weitreichende Bekenntnisimpulse bis heute aus.

Matthias Freudenberg
Was steht denn da?
Eine Anleitung, die Bibel zu lesen
Kurze Auslegungen zum äthiopischen Kämmerer, dem geknickten Rohr, dem "Kinderevangelium", dem Trost, der Messiaserwartung, dem (vermeintlichen) Zweifler Thomas, der "Opferung Isaaks" und dem sinkenden Petrus.

Paul Kluge
Das Alte Testament als Wahrheitsraum des Neuen Testaments
Das Verhältnis der ‚Testamente’ nach dem Grundsatz „Allein die Schrift (sola scriptura)“
Das neue Verhältnis zum Judentum, das den Kirchen nach einer langen, schlimmen Geschichte, die geprägt war durch Blindheit und Schuld, geschenkt worden ist, ist ein großes Glück. Aber der im Dialog begonnene Weg ist nicht zu Ende gegangen.

Frank Crüsemann
«Am Anfang war das Wort» – doch welches?
Persönliche Notizen anlässlich der Einführung der «Lutherbibel 2017»
Ist diese Bibel mein Buch? Sie ist es schon deshalb nicht, weil ich keinen Besitzanspruch auf dieses Buch erheben kann.
 

Nach oben   -   E-Mail  -   Impressum   -   Datenschutz